Netzwerk-Edge: Unternehmen sind für einen ganzheitlicheren Ansatz bereit, aber können die Telekommunikationsanbieter mitziehen?
In den letzten Jahren haben Unternehmen vermehrt begonnen, für ihre WAN-Netze (Wide Area Networks) eine stärkere Automatisierung und Virtualisierung zu nutzen, wie Artur Kwiatkowski von Ciena zu berichten weiß. Bei der Migration ihrer IT-Architekturen hin zu einem zentralen (Multi-)Cloud-Konzept muss sich auch die Netzwerkumgebung und ganz besonders der Edge des Netzwerks weiterentwickeln, um einen höheren Grad an Flexibilität und die vermehrte Selbstkonfiguration durch den Endbenutzer zu ermöglichen. Zur Beschleunigung dieser Entwicklung implementieren Unternehmen aus einer Vielzahl unterschiedlicher Branchen virtuelle Netzwerkfunktionen wie virtuelle Router, Firewalls und Software-Defined WAN (SD-WAN). Für viele dieser Unternehmen stellt die letztgenannte Anwendung den Beginn ihrer Entwicklung hin zu einer virtualisierten Netzwerkumgebung dar.
Dieser Blogbeitrag ist der zweite Teil einer dreiteiligen Serie über die Edge-Virtualisierung. Den ersten Blogbeitrag können Sie hier lesen.
War der Hype um SD-WAN übertrieben?
Ein Teil des Versprechens war ursprünglich kommerzieller Art: eine attraktivere Kostenstruktur für das WAN auf Unternehmensebene. Diese basierte auf der vermehrten Nutzung günstigerer Netzwerk-Übertragungstechnologien (z. B. dedizierte Services für den Internetzugang statt MPLS). Neben der Entkopplung der Overlay-Funktion (Management und Policies) von der Underlay-Funktion (Datenübertragung) besteht die transformative Wirkung jedoch vor allem in der Tatsache, dass Unternehmen mithilfe von SD-WAN-Bundles eine größere Kontrolle über die Leistung ihrer Netzwerke erlangen. Dies gilt besonders für die europäischen Märkte, die durch eine eher geringe Preisdifferenz im Bereich der Underlay-Services gekennzeichnet sind.
Sehr schnell entstand um das Thema SD-WAN ein (möglicherweise übertriebener) Hype, weshalb der Großteil der im B2B-Bereich aktiven CSPs (Communication Service Provider) in Windeseile ein SD-WAN-Angebot auf die Beine stellte. Häufig handelte es sich dabei jedoch lediglich um einen gemanagten Service, der von den SD-WAN-Providern/Handwareanbietern bereitgestellt und von den Telekommunikationsanbietern als White-Label-Lösung an die Unternehmenskunden weiterverkauft wurde.
Darüber hinaus wurde schnell deutlich, dass SD-WAN keinesfalls eine für alle passende Universal-Anwendung ist. Daher umfasst das Produktangebot der Mehrheit der größeren CSPs heute mehrere SD-WAN-Lösungen, die auf unterschiedliche Marktsegmente, von kleinen bis hin zu global agierenden Unternehmen, abzielen. Das stellt an sich kein Problem dar, aber viele dieser Lösungen spielen im Rahmen des breiter aufgestellten Service-Portfolios eine recht isolierte Rolle. Für betriebliche Aspekte wie die Servicebereitstellung greifen sie außerdem häufig stark auf manuelle Prozesse zurück. Das sich daraus ergebende Bild der CSPs lässt sich am besten mit einer Gruppe stromaufwärts schwimmender Schwäne vergleichen, die über der Wasseroberfläche vornehm und anmutig erscheinen, im Verborgenen jedoch verzweifelt mit den Füßen strampeln, um vorwärts zu kommen.
Es gibt jedoch erste Anzeichen für Veränderungen.
Für betriebliche Aspekte wie die Servicebereitstellung greifen sie außerdem häufig stark auf manuelle Prozesse zurück. Das sich daraus ergebende Bild der CSPs lässt sich am besten mit einer Gruppe stromaufwärts schwimmender Schwäne vergleichen, die über der Wasseroberfläche vornehm und anmutig erscheinen, im Verborgenen jedoch verzweifelt mit den Füßen strampeln, um vorwärts zu kommen.
Wie verändert sich der Markt?
Auf dem Markt zeichnen sich zwei entscheidende Entwicklungen ab. Zunächst einmal gewöhnen sich die Telekommunikationsanbieter an den Gedanken, dass sie ihre Service-Portfolios für den Unternehmens-Edge (die bisher sehr SD-WAN-zentriert waren) erweitern und dabei auch andere virtualisierte Netzwerkfunktionen (VNFs) wie Router, Firewalls und WAN-Lastausgleichssysteme berücksichtigen müssen. Außerdem erkennen sie, dass ein reichhaltiges und breit gefächertes Front-End-Angebot durch Geschwindigkeit, Replizierbarkeit und zu einem gewissen Grad auch durch eine einfache Struktur des Back-End-Modells für die betriebliche Umsetzung unterstützt werden muss. Dies erklärt auch, warum das uCPE-Konzept (Universal Customer Premise Equipment), das einige Jahre in der Versenkung verschwunden war, wieder in Mode zu sein scheint. Des Weiteren erkennen die Telekommunikationsanbieter, dass sie die Lösung durch eine Kombination aus SD-WAN und anderen VNFs mit Tools für die Automatisierung und Analyse prädiktiv und aus der Ferne managen können. Dies sind für die Unternehmenskunden gute Neuigkeiten, da sie so von einer reichhaltigeren Auswahl an verfügbaren Netzwerkfunktionen und einer besseren Gesamterfahrung profitieren können.
Außerdem differenzieren sich die Unternehmen immer stärker in Bezug auf ihre Bedürfnisse in diesem Bereich (die sie wahrscheinlich inzwischen auch expliziter formulieren). Seit ihrer Entstehung drehte es sich bei Virtualisierung von Netzwerkfunktionen (Network Function Virtualisation, NFV) um die vereinfachte Nutzung, freie Wahlmöglichkeiten und die Flexibilität der Bereitstellungsmodelle (dezentral, zentral, hybrid). Da jedoch zunächst das SD-WAN im Vordergrund stand, waren Unternehmenskunden letztendlich häufig an das gebunden, was in dem gebündelte SD-WAN-Angebot enthalten war, beispielsweise in Bezug auf Sicherheitsaspekte, Gewährleistungsfunktionen etc. Auch wenn das SD-WAN in absehbarer Zukunft der führende Anwendungsfall bleiben wird, zeichnet sich doch ab, dass andere VNFs (wie u. a. die oben genannten) in den nächsten Jahren stärker in den Fokus rücken werden.
Die Akzeptanz NFV-basierter Bereitstellungsmodelle war allerdings von Anfang an verhalten, was zu Beginn vor allem auf eine unattraktive Vermarktung und ein begrenztes VNF-Angebot zurückzuführen war. Darüber hinaus wurde eine umfassendere NFV-Umsetzung bisher dadurch verhindert, dass die Konzeption und Implementierung mehrerer VNFs sowie die Sicherstellung ihrer reibungslosen Interoperabilität als schwierig und komplex empfunden wird. Hier lässt sich jedoch eine schrittweise Weiterentwicklung verzeichnen und die Serviceprovider streben mit größerer Entschiedenheit eine Differenzierung in einem nunmehr zunehmend gesättigten Marktumfeld an.
Wie können CSPs von der Marktdynamik profitieren?
Und wie können sie die Dinge auf die richtige Art und Weise angehen? Es ist kein Geheimnis, dass CSPs neue Produkte nicht unbedingt zügig auf den Markt bringen, was aber in diesem ganz besonderen Fall nun einmal dringend erforderlich ist und auch von ihnen erwartet wird. Unter diesen Voraussetzungen wird deutlich, dass es sich mit Sicherheit um keine leichte Aufgabe handelt. Vielmehr erfordert die Lösung einen vielschichtigen Ansatz, für den häufig neue Funktionen im Bereich der Automatisierung oder Systemintegration entwickelt werden müssen, was auch die zentralen Transformationstrends im Telekommunikationssektor widerspiegelt.
Eine Herangehensweise wäre der Weg über einen Plattform/Ökosystem-Ansatz bei dem sich Abhängigkeiten von einzelnen Anbietern für die Unternehmenskunden (und die Telekommunikationsanbieter) vermeiden lassen, während die CSPs schnell innovative Lösungen entwickeln und die Einführung neuer Produkte beschleunigen können.
Eine solche Plattform für die Entwicklung innovativer Services müsste mehrere Elemente umfassen. Dazu gehören (ohne Anspruch auf Vollständigkeit) vor allem ein reichhaltiger VNF-Katalog, ein Software-Stack für die Orchestrierung/Automatisierung, Funktionen für die schnelle Systemintegration und das Onboarding neuer Funktionen und Serviceketten wie auch die CPE-Hardware selbst und die Möglichkeit, diese vor Ort beim Kunden (entweder nach dem Low-Touch- oder Zero-Touch-Prinzip) zu installieren.
Doch nicht alle diese Elemente müssen intern bei den CSPs integriert werden. Das Ökosystem für die Entwicklung innovativer Services könnte modular aufgebaut sein. Einige Elemente könnten intern vorgehalten werden, während andere extern durch Dritte, beispielsweise Hardwareanbieter, Softwareprovider oder Systemintegratoren, bereitgestellt werden. Der CSP selbst würde dabei die Schnittstelle zwischen den Unternehmenskunden und den Technologieanbietern bilden.
Aufgrund der zunehmenden Marktdynamik zeigt sich, dass die traditionelle Herangehensweise der CSPs, die vor allem darauf bestehen, die gesamte Ende-zu-Ende-Funktionalität intern zu entwickeln, zu zeitlichen Verzögerungen und hohen Opportunitätskosten führt. Mit einem erfolgreichen NFV-Plattform/Ökosystem-Ansatz, bei dem möglicherweise auf einen Partner zurückgegriffen wird, der über die notwendige Erfahrung und Expertise für das Arbeiten in einer Multi-Vendor-Umgebung verfügt, lässt sich dieser Prozess bei gleichzeitiger Risikoreduzierung beschleunigen.
Im Gegensatz dazu könnte ein Alleingang dazu führen, dass man die zu erwartende Welle an Implementierungen verpasst und sich stattdessen in einem Brownfield-Umfeld behaupten muss, bei dem der Gewinn eines akzeptablen Marktanteils bereits eine ganz eigene Herausforderung darstellt.