In Teil eins dieser dreiteiligen Reihe von Blogbeiträgen über xHaul-Netze habe ich über 4G/5G-Fronthaul-Transportnetze gesprochen. Darüber hinaus ging es um den Umstieg der Branche von einer jahrzehntelang geschlossenen und proprietären 4G/LTE-Architektur hin zu einer offenen und standardbasierten Fronthaul-Architektur im Rahmen von 5G. In diesem Blogbeitrag geht es nun um ein ähnliches Ziel der Branche für das 5G-Midhaul-Netz. Im dritten und letzten Teil dieser dreiteiligen Reihe werde ich über 4G/5G-Backhaul-Netze sprechen. 

Warum offene, standardbasierte Transportnetze?

Warum interessieren sich Netzbetreiber für offene, standardbasierte xHaul-Transportnetze (xHaul = Fronthaul, Midhaul und Backhaul)? Wie in jedem anderen Bereich der globalen Netzwerkinfrastruktur ermöglichen derartige Netze eine breiter gefächerte und verlässlichere Supply Chain für Mobilfunknetzanbieter wie auch für Betreiber aus dem Wholesale-Bereich). Basierend auf dem ökonomischen Modell von Angebot und Nachfrage kann durch ein breiter gefächertes Anbieterumfeld die Abhängigkeit von einzelnen, spezifischen Anbietern vermieden werden. Weitere Vorteile des stärkeren Wettbewerbs sind kürzere Innovationszyklen und Preissenkungen. Außerdem erzeugt ein offenes, standardbasiertes xHaul-Netz einen lukrativen Wholesale-Markt und ermöglicht den Anbietern den Umstieg von einer Dark-Fiber-Infrastruktur, wie sie oft im bestehenden 4G-Fronthaul-Bereich zum Einsatz kommt, auf standardbasierte Paketnetzservices, die den heutigen Wholesale-Backhaul-Services ähneln.

Was ist also Midhaul und welche Rolle spielt dieses Segment im Mobilfunknetz?

Eine traditionelle Mobilfunkbasisstation beinhaltet eine hardwarebasierte Basisbandeinheit (Baseband Unit, BBU) an der Basis eines Funkmastes, die mit mehreren Funkeinheiten (Radio Units, RUs), verbunden ist, die wiederum oben am Funkmast installiert sind. Die BBU erzeugt und verarbeitet digitalisierte Basisband-Radiofrequenzsignale (RF-Signale), während die RUs die digitalen BBU-Signale in analoge Radiofrequenzsignale (RF-Signale) umwandeln, die sich dann mittels Antennen über Radiowellen ausbreiten. Über mehrere Generationen von Mobilfunktechnologien hinweg war diese funktionelle Teilung im Wesentlichen immer gleich.

Dies wird sich mit 5G grundlegend ändern, wodurch Netzbetreiber ein höheres Maß an Flexibilität und Leistung gewinnen.

In einer 4G Distributed Radio Access Network (D-RAN)-Architektur liegt die BBU physisch an der Basis eines Makrozellen-Funkmastes vor. In einer 4G Centralized/Cloud Radio Access Network (C-RAN)-Architektur liegt die BBU physisch in einer entfernten Hauptvermittlungstelle oder einem Rechenzentrum vor. Fronthaul bezieht sich auf das Netz, das abgesetzte Funkmodule (Remote Radio Heads, RHHs) mit den viele Kilometer entfernten BBUs verbindet. Wo genau befindet sich also das neue Midhaul-Netz? Es verbindet die neuen, disaggregierte 5G-BBUs untereinander. 

Disaggregation der traditionellen Basisbandeinheit (Baseband Unit, BBU)

5G-RAN ist eine Weiterentwicklung der traditionellen Architektur aus BBU und Remote Radio Heads (RRHs), wie sie in 4G-Netzen zum Einsatz kommt, in eine Architektur bestehend aus verteilten Einheiten (Distributed Units, DUs), Zentraleinheiten (Centralized Units, CUs) und aktiven Antenneneinheiten (Active Antenna Units, AAUs), wie sie unten dargestellt ist.

Abbildung 1: Neue 5G-Funksystemarchitektur

Durch die Disaggregation der BBU liegen nun einige ihrer traditionellen Funktionen (PHY-, MAC- und RLC-Sublayer) in der DU vor, während die übrigen Sublayer (z. B. PDCP, SDAP und RRC) die CU bilden. 5G-Funksysteme werden größtenteils eine AAU-Architektur nutzen, bei der die RRHs und die Antennensysteme in einem gemeinsamen Gerät integriert sind. Die DUs und CUs könnten und werden je nach der Implementierungsstrategie des Netzbetreibers sehr wahrscheinlich virtualisiert und auf RAN-Rechensystemen an unterschiedlichen Stellen des Netzes gehostet.

Vom Standpunkt eines virtualisierten RAN (vRAN) aus, werden spezifische, sogenannte COTS-Hardware-Beschleuniger (COTS = Commercial-Off-The-Shelf) für die Unterstützung der x86 CPU benötigt, um die DU- und CU-Workloads zu virtualisieren. Diese Beschleuniger müssen die Anforderungen des IEEE 1588 Packet Timing Protocol (PTP) sowie die Anforderungen in Bezug auf Synchronous Ethernet (SyncE) erfüllen und L1 Upper PHY-Verarbeitungen, wie Forward Error Correction (FEC), durchführen.

Die 4G-Fronthaul-Schnittstelle wird sich von der bestehenden geschlossenen und proprietären Common Public Radio Interface (CPRI)-Variante hin zu einer neuen und offenen sowie standardbasierten Fronthaul-Schnittstelle weiterentwickeln, die auf der O-RAN 7.2x Fronthaul-Spezifikation basiert. Da der O-RAN 7.2x Fronthaul vollständig paketbasiert ist, kann das zugehörige Transportnetz übliche Ethernet-Transporttechnologien nutzen, um die Fronthaul-Nutzdaten zu übertragen.

Die 5G-Funksystem-Disaggregation wird außerdem zu einer neuen paketbasierten Midhaul-Schnittstelle führen, welche die DUs und CUs über eine neue 3GPP-F1-Schnittstelle verbindet. Da die Anforderungen der F1-Schnittstelle in Bezug auf Latenz und Jitter weniger streng als beim O-RAN 7.2x Fronthaul sind, können die F1-Nutzdaten über unterschiedliche paketbasierte Transportmechanismen, wie IP/MPLS, Segment-Routing und E-VPN, übertragen werden. Die CU kann (und wird aller Wahrscheinlichkeit nach) weiter in eine CU User Plane (CU-UP) und eine CU Control Plane (CU-CP) aufgespalten. In dem Fall würde die Verbindung zur DU wie unten dargestellt über F1-U- und F1-C-Schnittstellen erfolgen. Die Verbindung zwischen der CU-UP und CU-CP wird über eine neue 3GPP-E1-Schnittstelle vorgenommen. Midhaul-Transportnetze können je nach den spezifischen Bedürfnissen des Netzbetreibers mit unterschiedlichsten Topologien, wie Hub-and-Spoke, Mesh und Ring, implementiert werden.

Abbildung 2: Disaggregierte 5G (und ng-LTE)-Funksystemschnittstellen (siehe 3GPP TS 38.401, TS 37.470)

Es wird erwartet, dass die Leistungsanforderungen für Midhaul-Transportnetze Reichweiten bis zu 100 km mit einer Latenzzeit von 5 Millisekunden oder weniger unterstützen. Das Midhaul-Segment kann eine Vielzahl unterschiedlicher Datenraten von Ethernet-Schnittstellen unterstützen. Diese reichen von zunächst 10GbE bis hin zu 25GbE oder 50GbE im Fall von DU-Systemen mit höherer Kapazität. Um eine bessere Endbenutzererfahrung zu gewährleisten, wie beispielsweise eine schnelle Verbindung mit dem Mobilfunknetz und eine schnellere Datenantwort zwischen den Benutzergeräten und dem Netz, wird der Transport der 3GPP-F1-Schnittstelle vorzugsweise über deterministische Ethernet-Transporttechnologien, wie Time-Sensitive Networking (TSN) oder FlexE/G.mtn abgewickelt.

Remus Tan ist Product Line Manager bei Ciena, Experte für Mobile Networking und für die 5G-Netzwerklösungen von Ciena verantwortlich. Ich habe ihn über seine einzigartigen Einblicke in das neue Midhaul-Netzsegment und die damit zusammenhängenden Herausforderungen und Chancen befragt. Er sagte: „Dank der Ausgereiftheit der 3GPP- und O-RAN-Standards sehen wir nun multi-vendor-interoperable 5G New Radio (NR)-Produkte, die auf den neuesten Spezifikationen basieren und ein vollständig disaggregiertes und virtualisiertes RAN ermöglichen, das bedarfsgerecht und zu vernünftigen Kosten kommerziell implementiert werden kann. 2021 werden wir vermehrt disaggregierte vRAN-Implementierungen sehen, die von massiven Investitionen in xHaul-Networking-Equipment begleitet werden. Mit unseren kürzlich auf den Markt gebrachten 5G-xHaul-Routern ist Ciena in einer sehr guten Position, um von der Nachfrage nach Geräten für disaggregierte vRAN-Infrastrukturen zu profitieren.

Es ist jetzt an der Zeit, das RAN zu öffnen

In der Branche ist jetzt die Zeit gekommen, um sicherzustellen, dass das neu aufkommende Midhaul-Netz offen und standardbasiert sein wird, da wir sonst erneut in eine Zeit der geschlossenen und proprietären Systeme zurückfallen, wie es beim CPRI-basierten Fronthaul-Netz der Fall war. Zum Glück gibt es mehrere Branchenvereinigungen, wie 3GPP und die O-RAN Alliance, die an der Umsetzung genau dieses Ziels arbeiten. Standards und offene Spezifikationen werden die Entstehung offener, standardbasierter Midhaul-Netze unmittelbar vereinfachen und die Realisierung der oben genannten geschäftlichen Vorteile ermöglichen.

OK, und was ist mit dem Backhaul?

Bleiben Sie dran! Im letzten Teil dieser dreiteiligen Reihe über xHaul-Netze werde ich über den 4G/5G-Backhaul sprechen.